Schulprojekt beleuchtet DDR Geschichte

"Stasi in Görlitz" | Schüler des Augustum-Annen-Gymnasiums bereiten Ausstellung vor

Eine neue Medienstation hat das Kulturhistorische Museum am 23. September im Ausstellungsbereich zur DDR-Geschichte im Kaisertrutz in Anwesenheit einer Schulklasse des Augustum-Annen-Gymnasiums Görlitz in Betrieb genommen. Die 17 Schüler hatten die redaktionelle Vorarbeit geleistet sowie das Radiofeature produziert. Sehr zur Freude von Museumsleiter Jasper v. Richthofen, der es ausdrücklich begrüßte, dass sich die jüngere Generation mit der Geschichte ihrer Region und Vorfahren auseinandersetzt: „Zeitzeugen gibt es immer weniger und zu manchen Ereignissen in der DDR-Zeit gibt es kaum Material oder nur wenige Quellen. Doch es ist auch unsere Aufgabe als Museum, die Erinnerung an diesen Abschnitt der Geschichte zu bewahren.“
Die heutigen Zwölftklässler hatten sich 2011 beim Bundesdeutschen Schülerwettbewerb zur politischen Bildung mit ihrem Geschichtsprojekt zur „Stasi in der DDR“ beteiligt. Hubertus Kaiser, Lehrer am Gymnasium, hat die Projektarbeit damals betreut. Auch er freute sich, dass die Schülerarbeit nun Bestandteil der Dauerausstellung ist: „Die Jugendlichen können stolz sein und sagen – ich war dabei.  Den jungen Leuten wünsche ich den Mut der Menschen von damals, damit sie heute frei heraus sagen können, was ihnen in dieser Stadt nicht gefällt.“  

In verschiedenen Gruppen beschäftigten sich die Schüler mit unterschiedlichen Themen – Stasi in Görlitz, Leben in der DDR mit der Stasi, Offizielle und inoffizielle Mitarbeiter; Geschichte der Stasi – Verhaftung; Verhör, Verurteilung; Auflösung der Stasi. Eine Exkursion mit Besichtigung der ehemaligen Strafanstalt und heutigen Gedenkstätte Bautzen 2 bedeutete für die Gymnasiasten eine besonders emotionale Begegnung mit dem Thema Stasi. Viele Eindrücken und wertvolle Informationen ließen sie in ihre Projektarbeit einfließen.
Den Recherchen folgte im Herbst 2011 ein Aufruf in der Zeitung zur Suche von Zeitzeugen, die über das Leben in der DDR und ihre Erfahrungen mit der Staatssicherheit berichten. Vier  Görlitzer waren bereit, über ihre Erlebnisse mit den Schülern zu sprechen.
Dr. Günther Ruhland, der seit 1983 als Rechtsanwalt in Görlitz tätig ist, berichtete über die  Ereignisse im November 1989 und die Besetzung der Stasi-Zentrale an der Reichertstraße am 5. Dezember 1989. Die daraus entstandenen  Texte und insgesamt sechs Stunden Material wurden mit Hilfe des Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanals (SAEK) gesprochen und zu einem Beitrag auf sechs Minuten Länge komprimiert.
Ausstellungsgestalter Thomas Doetsch war es, der für die Neugestaltung des Abschnitts zur DDR-Geschichte noch eine inhaltliche Ergänzung suchte. „Da fehlte noch etwas. Das Thema Stasi erschien mir zu kurz gefasst.“, erklärte Thomas Doetsch. Bei Recherchen im Internet stieß er zufällig auf den Beitrag der Görlitzer Schüler. Daraus entstand die Idee, diesen in die Ausstellung zu integrieren. Nun sind die Jugendlichen mit ihrer Radioreportage und Auszügen aus dem Bericht von Dr. Ruhland im Museum Kaisertrutz verewigt.  
Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hatte beim Neuaufbau der kulturgeschichtlichen Dauerausstellung im Kaisertrutz den Abschnitt zur Nachkriegs- und DDR-Geschichte und damit auch die Realisierung der Medienstation mit 25.000 Euro unterstützt.
Der kurze Zusammenschnitt in der Ausstellung zum 17. Juni 1953 in Görlitz schuf die Überleitung zum zweiten Teil der Veranstaltung. In der Aula des Augustum-Annen-Gymnasiums am Klosterplatz sahen Schüler der elften und zwölften Klassen den Film “Wir wollen freie Menschen sein! Volksaufstand 17. Juni 1953″ von Freya Klier. Auf der Grundlage von historischen Bild- und Tondokumenten, Gesprächen mit Beteiligten des Aufstandes, mit den Familienangehörigen eines Opfers und mittels nachgestellter Szenen hat die Autorin und Regisseurin Freya Klier die tragischen Ereignisse rekonstruiert, die auch zum Tode des 15-jährigen Schlosserlehrlings Paul Ochsenbauer führten. Seine Schwester Brigitte Dienst ist heute regelmäßig bei Schülern oder Veranstaltungen zu Gast, um ihre Erinnerungen zu teilen. Damals habe die Familie erst zwei Wochen später vom Tod ihres Angehörigen erfahren und kaum darüber gesprochen. Ihre Enkeltochter habe für eine Klausur in der 12. Klasse das Thema 17. Juni 1953 gewählt, ohne dass sie darüber gesprochen hätten. Erst danach hat ihr Brigitte Dienst vom Schicksal ihres Bruders erzählt, das sie noch immer beschäftigt und aufregt. Auch in Görlitz gab sie den jungen Leuten deshalb mit auf den Weg, dass Frieden nicht selbstverständlich ist und jeder Einzelne zu einem friedlichen Miteinander beitragen kann.