Julius Arnade Koffer und Lederwarenfabrik

Der Name Arnade ist in Görlitz bleibend mit der Kofferfabrik verbunden. Ihre Wurzeln reichen bis 1872 zurück. Damals gründet der erst 28-Jährige Firmengründer Julius Arnade eine Lederzeug- und Kofferfabrik. Zehn Mitarbeiter sind es, die bis zu einem Brand 1876 auf der Peterstraße in der Altstadt produzieren. Das Unglück nutzt Julius Arnade, um in Moys das Unternehmen neu und größer aufzubauen. In Moys, heute Zgorzelec Ujazd, findet sich die alte Fabrik. Für den Bau der ev. Johanneskirche schenkte der Unternehmer Julius Arnade, Besitzer der Moyser Kofferfabrik, der Gemeinde das Baugrundstück an der Seidenberger Straße heute ulica Łużycka.

 

Mit der Tuchfabrik von Fritz Herrmann, Gaswerk und Braunkohlenwerk war Moys ein industriell geprägter Vorort, östlich der Neiße gelegen der 1929 zu Görlitz eingemeindet wurde. Eine der bedeutensten Firmen im Stadtteil Moys war die Lederwaren und Kofferfabrik von Julius Arnade
Der Aufschwung der Gründerjahre und die zunehmenden Möglichkeiten zum Reisen begünstigen sein Geschäft. Koffer aller Art, Reise- und Schultaschen, Rucksäcke – Arnades Produktpalette wird immer umfangreicher, die Belegschaft zählt in den besten Zeiten 300 Mitarbeiter. Foto Bestand Ratsarchiv Görlitz

 

 

Der wirtschaftliche Erfolg geht einher mit gesellschaftlicher Anerkennung. Julius Arnade zieht in die Stadtverordnetenversammlung ein, wird zum Königlichen Kommerzienrat ernannt, engagiert sich im Bismarcksäulenkomitee für die Landeskrone. Als er am 15. Juni 1915 stirbt, treten seine Söhne in des Vaters Fußstapfen. Nach dem frühen Tod von Ernst 1919 sind es vor allem Kurt und Paul Arnade, die die Fabrik weiterführen und vom Tourismus-Aufschwung profitieren.

 

Arnade Anzeigen Katalog (1927)


Die Machtergreifung Hitlers verändert alles. Innerhalb weniger Monate krempelt sie das Leben der Arnades um. Nicht nur gesellschaftlich werden die Arnades geächtet, auch ihre Firma büßen sie ein. Am 6. April 1936 erscheinen Paul und seine Frau Margarete Arnade, sowie sein Sohn Herbert bei einem Berliner Notar. Anwesend sind auch noch der Breslauer Anwalt Ignaz Lippmann, der die Interessen von Kurt Arnade vertritt, der mit seiner Familie 1935 nach China emigrierte. Als sie die Kanzlei verlassen, gehört die Firma dem Görlitzer Wirtschaftsprüfer Eberhard Neuhaus. Der Kaufpreis von 168 000 Reichsmark wird mit den Schulden verrechnet, darübergehende Summen legen die Arnades in der neuen Firma an. Ausgezahlt bekommen sie so gut wie nichts.

Kurt Arnade gelang die Flucht mit seiner Familie über China, die Schweiz, Bolivien und später in die USA. Viele der Arnades wurden Opfer des Holocausts.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Industriestadt Görlitz 1945 geteilt, die Görlitzer Oststadt mit Moys unter polnischer Verwaltung, umbenannt in Zgorzelec und Zgorzelec Ujazd. Die Fabrik und Besitz östlich der Neiße damit für immer verloren.

Einst prächtig anzusehen, heute ohne jegliche Schmuckelemente, sind Teile der Fabrik in Nutzung. Bilder: oben, Blick auf die alte Zierfassade und Innenhofansicht.

Aufgenommen 2022, 2020


In Görlitz erinnern seit dem Jahr 2014 zwei Stolpersteine an Paul und Margarete Arnade. Ihr Leben endete in Theresienstadt und Auschwitz. Das Naziregime verfolgte die Arnades bis in den Tod. Paul, Margarete und Werner Arnade wurden Opfer des Holocaust. Görlitz gedenkt den Opfern heute mit 60 Stolpersteinen die an das jüdische Erbe erinnern.

 

Auf der Moltkestraße steht die Villa der Familie von Julius Arnade, dem Begründer des Familienbetriebs. Julius Arnade lebte hier bis zum Tod 1915 mit Frau und den Kindern.
Als er stirbt,
bettet ihn die Familie auf dem Städtischen Friedhof. Dort ist noch heute sein Grab zu finden, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Waggonbau-Gründer Christoph Lüders,
dem Hefefabrikanten Guido Hagspihl und Oberbürgermeister Clemens Reichert.

 

Am Haus Moltkestraße finden sich die Initialen
J und A in der Fassade eingelassen bis heute.
Die "Görlitzer Gründerzeit" ist Synonym in der Neißestadt für den wirtschaftlichen Aufschwung zu Beginn des 20. Jahrhunderts wie auch die bauliche Erweiterung von gründerzeitlichen Quartieren die bis heute in ihrem Grundbestand erhalten geblieben sind.

Erhalten ist eine weitere so genannte "Arnade Villa" in der Südstadt. Von außen macht die altehrwürdige Villa in der Holteistraße keinen guten Eindruck. Der Putz blättert, der Garten ist verwildert. Auf einem weiten parkähnlichen Grundstück im Villenviertel der Görlitzer Südstadt steht die Villa Arnade die im Jahr 1916 von dem Architekten Robert Weber für Ernst Arnade entworfen wurde.

 

Zu DDR war das Haus ein Erziehungsheim mit einer unrümlichen Vergangenheit.

Familie von Julius Arnade, Görlitz
Paul Arnade Jg. 1874. Deportiert 1942 Theresienstadt. Tot 14.12.1942 II Margarete Arnade geb. Pinoff Jg. 1886 Deportiert 1942 Theresienstadt. Tot 1944 Auschwitz

Die ersten Stolpersteine in Görlitz wurden 2007 verlegt. Nach weiteren Stolpersteinverlegungen 2012, 2014 für Paul und Margarete Arnade, 2017 und im November 2021 aus Anlass der Jüdischen Gedenkwoche Görlitz und der Verlegung von 24 Stolpersteinen im Mai 2022, finden sich 60 Stolpersteine in Görlitz, 3 davon in Zgorzelec, der polnischen Schwesterstadt. Die Schicksale der Görlitzer jüdischen Familien sind Inhalt zahlreicher Veranstaltungen die das Leben und die Leidenswege der jüdischen Mitbürger wach halten sucht dank der Initiative Stolpersteine Görlitz-Zgorzelec

 

Viele der Geschichten hinter den Namen auf den Görlitzer Stolpersteinen finden sich zum ersten Mal komplett versammelt und dazu auch umfangreich bebildert. Ganz unterschiedlicher Herkunft, sind deren Schicksale. Mal sind es Überlebens-geschichten, Tagebucheinträge, Erinnerungen und Erzählungen, die ausfindig gemacht werden konnten. Erkunde die Geschichte hinter den Stolpersteinen, an dem Ort, an dem sie geschrieben wurde. Link: www.stolpersteine-goerlitz.de

Redaktion, Text und Fotos Netzwerk Industriekultur Görlitz, Aktualisiert 14.06.2022